Sonntag, 5. August 2012

Die größte Täuschung aller Zeiten

Oliver Janich

Es existiert eine Täuschung, die ist so allgegenwärtig, so subtil, so kontrolliert, so organisiert, so alles durchdringend, dass die allermeisten Menschen ihr seit Jahrtausenden unterliegen. Sie ist so erfolgreich, dass sich Irreführungen zum 11. September oder dem Klimawandel wie kleine Jahrmarktbudenzaubertricks ausnehmen. Diese Täuschung ist sogar so perfekt, dass sie nicht einmal jenen auffällt, die vorgenannte Themen bereits als billige Propaganda enttarnt haben. Sie ist so geschickt, dass sie ihr wahres Wesen zu verbergen vermag, obwohl sie der Urheber dieser Propaganda ist.


Diese Täuschung heißt »Staat«. Die Täuschung liegt darin, dass nur der Staat in der Lage sei, gesellschaftliche und damit zwischenmenschliche Probleme zu lösen. Diese Täuschung ist sogar dazu in der Lage, die Tatsache zu verschleiern, dass auch beim Staat nur Menschen arbeiten. Es sind also wiederum nur Menschen, die versuchen, gesellschaftliche Probleme zu lösen. Mit einem
entscheidenden Unterschied zum normalen Bürger: Die Staatsbediensteten halten buchstäblich eine Waffe in der Hand, das Gewaltmonopol des Staates.


Um diese Täuschung in der Tiefe zu verstehen, muss man sich eine Tatsache bewusst machen und – ebenso wie die Irreführung – immer und immer wieder wiederholen: Jeder Mensch ist Eigentümer seines eigenen Körpers. Es gibt denklogisch nur zwei Möglichkeiten. Entweder mein Körper gehört mir oder jemand anderem beziehungsweise einer anderen Gruppe von Menschen. Es kann – egal welche rhetorischen Tricks oder unlauteren Argumente die Täuscher verwenden – niemals eine moralische Begründung dafür geben, warum Ihr Körper jemand anderem gehören sollte als Ihnen selbst. Alles andere ist Sklaverei und sollte auch als solche bezeichnet werden.

Das Recht auf Ihren eigenen Körper ist Ihr natürliches Recht.  Da den Sklavenhaltern das bewusst ist, versuchen sie sich in Semantik. Lassen Sie sich – an dieser Stelle – auf keine Diskussionen über die Bedeutung von Wörtern ein. Sie finden sich unweigerlich in einem bizarren Gespräch darüber wieder, ob es so etwas wie Vernunft und Logik überhaupt gibt und was das Wort »natürlich« bedeutet. Murray Rothbard hat in The Ethics of Liberty alle diese Fragen erschöpfend beantwortet, aber Sie können sicher sein, dass Ihnen diese Erörterungen bei den meisten Menschen nichts bringen, weil sie sich gar nicht die Mühe machen werden, sie zu lesen oder zu verstehen. Manche sind auch gar nicht in der Lage dazu, diesen Argumenten zu folgen. Stellen Sie sich stattdessen einfach hin und sagen: »Dies ist mein Körper, er gehört mir und niemandem sonst und ich respektiere, dass dir dein Körper gehört und niemandem sonst.« Wenn Ihr Diskussionspartner das nicht akzeptiert, können Sie die Diskussion beenden.

Warum ist das so wichtig? Wenn Sie ein Thema mit jemandem erörtern – und der politische Prozess ist eine laufende Erörterung – müssen Sie sich zunächst auf Grundsätze – Axiome – einigen. Sonst ist jede Erörterung sinnlos. Das Axiom ist hier das Selbsteigentum und sie müssen darauf beharren, dass die Gesetze der Logik gelten. Ich habe einmal in einer Facebook-Diskussion mit einem prominenten Verfechter des bedingungslosen Grundeinkommens (BGE) eben dies getan. Ich musste etwa ein Dutzend Mal die Frage stellen, ob er das Selbsteigentum und die Logik als Konzept akzeptiere. Immer kamen Ausflüchte und es wurde abgelenkt. Da wurde tatsächlich darüber geredet, ob es Logik (er kam mit Fuzzy-Logic, was natürlich nichts mit argumentativer Logik zu tun hat) oder Vernunft überhaupt gebe, er zählte die angeblichen Schrecknisse des Kapitalismus und vieles mehr auf, nur um die Frage nicht beantworten zu müssen. Irgendwann schrieb er, er wisse nicht, worauf ich hinaus wolle. Natürlich wusste er es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sehr genau, sonst hätte er geantwortet. Als die Mitdiskutanten (die ich geflissentlich ignorierte, weil ich auf den Punkt kommen wollte) ungeduldig wurden, gestand er mir zu: OK, dein Körper gehört dir. Damit war die Falle zu. Denn als nächstes sagte ich: Dann gestehst du mir zu, dass wir das Grundeinkommen nur dann einführen können, wenn alle freiwillig mitmachen? Er musste zustimmen und ich sagte: Herzlich willkommen in der Partei der Vernunft, deren Vorsitzender ich bin. Denn nach unserer Vorstellung kann der Staat (eine gänzliche Abschaffung des Staates kann eine Partei nicht fordern, sonst wäre sie logischerweise verboten) jede Leistung anbieten, solange niemand dazu gezwungen wird.

Selbstverständlich würden bei so einem System nur die Nettoempfänger mitmachen, was aber von den Grundeinkommensverfechtern vehement bestritten wird. Aber das lässt sich ja leicht prüfen, wenn die Teilnahme freiwillig ist. Beispielsweise könnte BGE-Verfechter Götz Werner all seinen Angestellten 1.000 Euro im Monat netto auszahlen und ihnen freistellen, ob sie zur Arbeit kommen wollen (bei Arbeitsplatzgarantie natürlich, sonst hätten sie Angst vor der Kündigung). Es wäre spannend zu sehen, wie lange die DM-Märkte selbst bei bestmöglicher Unternehmensführung dann überleben würden. Seine These zu beweisen, sollte ihm dieses Risiko wert sein. Schließlich will er, dass 80 Millionen Menschen dabei mitmachen. Ähnlich wie die BGE-Anhänger argumentiert der Staat immer: Es sei zum Wohle aller oder der meisten. Ich vereinbarte mit dem BGE-Verfechter eine Diskussion vor laufender Kamera und bin gespannt, ob sie tatsächlich stattfindet. Wie so ein Gespräch ablaufen kann, wenn Sie vorher die Grundvoraussetzungen geklärt haben, sehen Sie an meinem Interview auf dem TV-Sender Schweiz 5 (der Prophet im eigenen Land...). Der Moderator ist BGE-Anhänger, allerdings von seinem Wesen her sehr offen und zugänglich, so dass wir uns schnell gut verstanden. Der Verlauf dürfte daher nicht unbedingt typisch sein.

Da den Sklavenhaltern selbstverständlich bewusst ist, auf welch tönernen Füßen ihre Herrschaft steht, bleibt ihnen im Grunde nur eines: Dem Bürger darf unter keinen Umständen bewusst werden, dass er Herr seiner selbst ist. Zwar kann der Staat mit Waffengewalt herrschen und alle Diktatoren sowie inzwischen auch die meisten Demokratien versuchen verzweifelt, die Bevölkerung zu entwaffnen, letztendlich bleiben die Herrscher aber immer in der Minderheit. In Deutschland kommen ungefähr 270.000 Polizisten auf 80 Millionen Bürger – keine guten Voraussetzungen für eine Gewaltherrschaft. Und selbst die Unterstützung von 270.000 bewaffneten Polizisten ist ihnen nicht sicher, denn auch jenen könnte bewusst werden, dass sie niemandem dienen müssen. Die Regierung ist eine reine Fiktion, die darauf beruht, dass die Menschen glauben, dass sie die Macht hat. Stellen Sie sich vor, sie träfen Angela Merkel alleine am anderen Ende der Welt in der Wüste und sie würde Sie auffordern, ihr die Hälfte Ihres Geldes zu übergeben. Wenn Sie gut gelaunt sind, würden sie die »Kanzlerin« auslachen. Bei schlechterer Laune sollte Angie möglicherweise die Beine in die Hand nehmen.

Aus dem Selbsteigentum folgt logisch, dass niemand, auch keine »demokratische« Mehrheit (die ohnehin nur einer Mehrheit der Wählenden und nicht der Wahlberechtigten ist) über einen einzelnen Menschen herrschen kann. Ebenso zwingend folgt daraus, dass jedem Menschen die Früchte seiner Arbeit zustehen. Denn wieso sollten sie einem anderen gehören? Ein anderer kann sie nur durch freiwilligen Tausch erwerben. Daher muss der Staat das Selbstbewusstsein und das logische Denken abtrainieren. Er muss – und das ist seine einzige Chance – Begriffe umdefinieren oder sie ganz neu erfinden. Er muss zuerst die Herrschaft über die Worte und damit über die Köpfe der Menschen erlangen, bevor er über sie selbst – über ihre Körper – herrschen kann. Das ist der ausschließliche Grund für die erzwungene staatliche Bildung (Anmerkung: auch die Medien – vor allem die großen Massenmedien – existieren letztendlich nur mit staatlicher Erlaubnis, aber das führt hier zu weit weg). Die staatliche Erziehung kann für die Sklavenhalter gar nicht früh genug beginnen, weil am Anfang die Kinder am leichtesten zu beeinflussen sind. Zu Beginn stellt alleine die Tatsache, dass es der Staat ist, der sich um sie »kümmert«, eine ungeheure – sehr schwer zu korrigierende – Gehirnwäsche dar.

Die Umdeutung der Begriffe sei hier nur an einem Beispiel erklärt, aber es gilt für alle Varianten der politischen Diskussion. Für den oben beschriebenen – an sich selbstverständlichen – natürlichen Zustand jedes Menschen bedient der Staat sich zweier scheinbar völlig gegensätzlicher Begriffe, die er beide negativ auflädt: Anarchie und Kapitalismus. Der erste Terminus stellt den Sklavenhalter vor ein großes Problem, denn das Wort beschreibt exakt, worum es geht: »An-archie«, frei von Hierarchie, also frei von Herrschaft. Da dies für jeden sich seiner selbst bewussten, also selbstbewussten Menschen ein erstrebenswerter Zustand ist, muss der Sklavenhalter ganz tief in die Gehirnwäsche-Trickkiste greifen. Er assoziiert Anarchie mit Chaos, Gewalt und Zerstörung. Da Anarchisten aber ein – aufgrund ihrer auf den ersten Blick ersichtlichen moralischen Überlegenheit – hartnäckiges Völkchen darstellen, haben die ungezählten Helfershelfer und selbst profitierenden Diener der Sklavenhalter versucht, den Anarchisten verschiedene Varianten anzubieten. So gebe es beispielsweise einen linken Anarchismus in den verschiedensten Versionen. Allen ist gemein, dass es doch eine irgendwie übergeordnete Instanz – wie beispielsweise Räte – geben müsse, die etwa Grund und Boden »gerecht« verteile.

Mit dem ohnehin von Kommunisten erfundenen Begriff des Kapitalismus haben es die Sklavenhalter leichter. Er wird ohne viel Mühe mit Gier, Ausbeutung, dem Recht des Stärkeren, also Gewalt und Zerstörung – beispielsweise der Umwelt – gleichgesetzt.  In Wirklichkeit hat der Kapitalismus nichts mit Kapital oder der Gier nach Geld zu tun. Er beschreibt lediglich eine Welt, in der der Staat nicht in die freiwilligen Verträge zweier Parteien eingreift. Kapitalismus bedeutet also Vertragsfreiheit. Da dabei das Eigentumsrecht jedes Menschen respektiert wird, dürfen zwei Parteien also keine dritte bestehlen. Keine übergeordnete Instanz darf diesen zwei Parteien diesen Handel  verbieten. Beide Begriffe – in ihrer Reinform (Kapitalismus ist eigentlich Libertarismus, also nicht unser jetziges System) – meinen also dasselbe: eine herrschaftsfreie Gesellschaft, die auf den freiwilligen Handlungen der Bürger beruht. Initiierende Gewalt, also Zwang ohne dass jemand einen Schaden erlitten hat, verbietet sich von selbst. In Streitfällen schlichtet eine Partei, die beide freiwillig wählen (wie das herrschaftsfrei funktioniert, erfahren sie im weiteren Verlauf der Serie). Eine anarchistische oder kapitalistische Gesellschaft, die auf diesen Prinzipien beruht, ist gewaltfreier, sozialer und auch weniger chaotisch, weil sie weniger willkürlich ist (dazu später mehr). Anarchismus ist in Wirklichkeit Kapitalismus. Ein Ausdruck wie »anarcho-kapitalistisch« ist ein Pleonasmus, also eine Verdoppelung, der für die Sklavenhalter den unschätzbaren Vorteil hat, dass einem staatlich »gebildeten« Sklaven gleich alle negativen Assoziationen gleichzeitig einfallen:  Chaos, Gewalt, Gier, Ausbeutung und Zerstörung. Schönere Bezeichnungen sind »Libertarismus«, »Voluntarismus« (nicht wie ursprünglich gemeint von »Wille«, sondern von »Freiwilligkeit«) oder »natürliche Ordnung«.

Da Libertarismus sehr schnell zu sehr viel Wohlstand – und damit in Wirklichkeit sozialer Sicherheit – führt, mussten sich die Sklavenhalter und ihre Lemminge auch hier noch einiges einfallen lassen. So gebe es wie den linken Anarchismus eine »soziale« Marktwirtschaft – dies sei der goldene Mittelweg. Aber ebenso wenig wie es eine herrschaftsfreie Gesellschaft mit Herrschaft geben kann, kann es ein auf Freiwilligkeit beruhendes System mit Zwang geben. Alle diese Mischformen negieren das menschliche Naturgesetz: Mein Körper gehört mir und niemandem sonst.

In einem späteren Teil beschäftigen wir uns mit dem zweiten großen Trick der Sklavenhalter: Dem Nützlichkeitsprinzip. Wenn Herrschaft schon nicht moralisch begründbar sei, so sei es doch wenigstens für die meisten Menschen nützlich, wenn es einen Staat gebe. Sie ahnen schon, dass auch dies eine dreiste Täuschung ist. Zunächst werde ich Sie aber im nächsten Teil mit der größten Geheimgesellschaft bekannt machen, die je auf diesem Erdball existiert hat.



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